Lyrik

Christus Velasquezs
Eine blutige Linie auf seiner Brust
Nasse Haare nach vorn fallend
Verlassen und müde
Gebeugter Kopf
Sein blasser und ermüdeter Körper
Schwarzer Hintergrund, fest und drohend
Oder still und unbeweglich um Jesus Christus
Der keine Sünden mehr auf sich nehmen kann
Christus der tot ist und sich aufgab
Der die Sünden der Welt vergaß
Im Prado Museum, in Madrid
Kea, 18.4.82
Übersetzt von Marion Schulz-Gahmen
*
Das Echo der Pferdehufe
Eines Tages werden wir zusammen dorthin gehen
Um die Pinien von Mystras mit meinen Augen zu sehen
Du wirst die roten Kirchen und Paläste sehen
Ich war noch ein Kind als man mir das erste Mal davon erzählte
Dass du, wenn du willst, immer noch in Mystras
Das Echo der Pferdehufe hören kannst
Die über die Pflastersteine kraftvoll springen
Während sie die Ritter der Villehardouin zurück bringen
Zu ihren Prinzessinen
In ihren Sonnendurchfluteten Gemächern
Eines Tages werde ich dich mitnehmen nach Mystras
Niemand soll sterben ohne dieses Wunder zu sehen
Es wird Mittag sein und die Sonne wird von oben brennen
Du wirst diesen Ort mehr lieben in der Hitze des Tages
Die Sonne wird die Geschichte von Myzithras * erstrahlen lassen
Seine Byzantinischen Kuppeln werden noch mehr glänzen
Ich werde dich eines Tages dorthin mitnehmen
Um das Tal unten zu sehen
Und zu hören, wenn du kannst
Das Echo der Pferde
*Myzithras=Mystras
Übersetzt von Marion Schulz-Gahmen
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Der Strauß
Die Tiere Gottes haben auch Probleme
Sie kämpfen gegen einander, gegen Hitze und Hunger
Da ist ein Vogel der einem Kamel ähnelt
Seinen Kopf in den Sand gräbt
Oft haben Menschen auch die gleichen Qualen
Es ist ihnen heiß, kalt und haben nichts zu Essen
Und selbst wenn schlimme Gedanken ich aus meinem Hirn vertreiben möchte
Träume ich von einem Loch im heißen Sand, um meinen Kopf hineinzustecken
Athen, 29.1.1992
Übersetzt von Marion Schulz-Gahmen
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Die Iden des März
Jedes Mal wenn der März kommt
erinnere ich mich des Gedichtes von Kavafis
An Cäsar der gewarnt wurde,
Wie schade, sage ich, dass für keinen von uns
Ein Bote kommt um uns vom Pöbel zu retten
Um uns ein Zeichen von Zukunft zu geben
Wie schade, sage ich, dass wir als einfache Sterbliche
Weit entfernt von Größe und siegreichen Kämpfen
Von römischen Triumphen in Hippodromen
Aber wie gut dass wir keine Vorzeichen brauchen
Und niemand uns dazu für fähig hält
Jedes Mal wenn der März kommt
weiß ich, dass in meinem Leben alles glatt geht
Ohne Zeichen und wichtige Vorahnung
Und wenn ich mich des Gedichts von Kavafis erinnere
freue ich mich am Ende trotz des anfänglichen Kummers
Athen, 5.3.1993
-Der griechische Dichter Konstantinos Kavafis (1863–1933) schrieb ein Gedicht mit dem Titel "Die Iden des März".
Übersetzt von Marion Schulz-Gahmen
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Ein Lied für Verdi und Pirandello
Adieu Eleonora
kehren wir zurück in unsere Berge
Nach Jenseits
Es gibt dort manche Berge
mit Raum für uns alle
Wenn Du kommst, wenn Du Dich entscheidest
werde ich den ganzen Tag singen
Ich werde nie mehr umher wandern um Dich zu suchen
Wir werden uns lieben
immer am gleichen Ort
Adieu Eleonora
Ich weiß nicht ob Du mit mir kommen kannst
Du bist hinter der Mauer aber ich kann Dich sehen
Deine Kraft wird innerhalb des Irdischen erlöschen
Diese Berge dort sind nicht für Dich
Du gehörst mehr in diese Welt
Ich muss alleine gehen
Etwas werde ich von Dir behalten
Etwas vom Strahlen deiner Augen
Von deiner ausweichenden, flüchtigen Liebe
In der alten Ruhe die ich vielleicht wieder finde.
Athen, 18.8.88
-Leonora Addio ist der Titel einer Geschichte
Pirandellos von "Novelle per un anno" und bezieht sich auf die Oper Verdis "La forza del destino".
Übersetzt von Marion Schulz-Gahmen
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La Serenissima
Serenissima ist Venedig noch immer,
Ruhig sind seine Paläste, seine Kirchen,
Besucher stören es nicht
Weder Regen, noch Sturm verwirren es
Serenissima bleibt es über die Jahrhunderte
Seine Kuppeln glorifizieren Gott
Die Dogen und ihre Intrigen sind vergangen
Nur ihre Segenssprüche haben die Zeit überlebt
Serenissima für seine Einwohner und für Fremde
Für alle die seine ewige Größe erkennen können
In den Kanälen, unter dem schmutzigen Wasser
Hinter den Karnevalsmasken
Serenissima ist für mich Venedig
Mehr und mehr liebe ich es
Mit der Zeit kenne ich es weniger
Denoch lobe ich es immer mehr
Ich fühle die allmächtige Magie
Sein Mythos drängt sich mir auf
Und auch die Realität von heute
In der Tat bleibt Venedig immer noch die Serenissima
Übersetzt von Marion Schulz-Gahmen
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Noch ein Römischer Frühling
Noch ein Römischer Frühling
Jetzt ist die Zeit Roms
Der Frühling der Borgate riecht
Bis in die Gärten der Villa Borghese
Dort ist die Sonne nicht lärmend
Sie scheint bescheiden, wie es dazu passt
Zur schönen roten Farbe der Gebäude
Oh Rom Pasolinis, Moravias, mein Rom
Auf den Straßen des Landes werden Artischocken verkauft
Und der Mohn wird die Wiesen füllen
Der Frühling muss jetzt in Rom ante portas sein
Andere Leute werden es genießen, nicht ich,
der ich vor Sehnsucht hier erkranke
Übersetzt von Marion Schulz-Gahmen
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Otto Dix, Goya und Munch
Doch, es gibt auch diese Seite
Otto Dix, Goya und Munch
Saturn isst seine Kinder
Und sie sind froh, weil sie wissen
Dass das Leben ohnehin
Eine schwarze Enttäuschung ist.
Aus dem Gedichtband “Der prähistorisch Löwe von Kea”
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Ravenna 2
"Heilige Lust aufs Leben
Süße Venus von Rimmel"
Sang ein Typ auf dem Trottoir
dieser wunderschönen Stadt Ravenna
wo ich das Grab des göttlich inspirierten
Dante gar nicht fand
„Heilige Lust aufs Leben"
sang er, die Gitarre in den Händen,
und ich gab ihm ein paar Lire
für das so sehr geliebte Lied
Francescos, der so sehr geliebt
Der Straßensänger fand, das war zu wenig Geld
Und recht hatte er, es war wirklich wenig
Für ein Lied das zum Himmel hoch erklang
über Dächer des byzantinischen Ravennas flog
Und sich tief in Litos Herz einbohrte
Das doch voll an Kunst und so empfindsam war
bereits war sie bereit Land und ihre Leute aufzugeben
dort sich hinzugeben dem Gesang an dieser Straßenecke
mit dem fremden Sänger singen bis in alle Ewigkeit
und den Passanten ihre Münzen zu entlocken
Übersetzt ins Deutsche von Paul Krieger